BAUMEISTER - Zeitschrift für Architektur
Nachrichten - April 2001



Ausstellung
Ende einer Dienststelle
Der Regierungsbunker im Ahrtal

Von Olaf Winkler

Der Berg kreißte und gebar ein Monstrum. Im Dezember 1997 beschloss das Bundeskabinett, die geheime Dienststelle Marienthal aufzugeben. Ein Untier tauchte aus dem Verborgenen auf, zeigte seinen Schatten der Öffentlichkeit - und versinkt wieder. Ein Pate, Vermarkter, Entertainer hat sich nicht finden lassen; der „Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes im Krisen- und Verteidigungsfall“ soll ab Herbst rückgebaut und verschlossen werden, endgültig. Zu spät die Rufe nach den Denkmalpflegern, zur Bewahrung nicht glaubhafter Räume, zur Erinnerung an ihre Funktion...

19 Kilometer Bunkerstrecke liegen unter den Weinbergen an der Ahr, 936 Schlafkammern, 897 Büro- und Konferenzräume, 83 000 Quadratmeter Nutzfläche: Zahlen einer Hauptstadt ohne Licht, eingerichtet ab 1960, fertiggestellt 1972. Der Nutzen eine Rettungsidee, Fortbestehen des Staates im Falle einer Eskalation, eines Umschlagen des Kalten Krieges in atomare Hitze. 3000 Personen hätten hier 30 Tage ausharren können.
Dieses Intervall kannte kein „Außen“, ebenso wenig wie das Bauwerk selbst, begehbares Nur-Innen. In Zukunft werden Bilder davon reichen müssen, etwa die von Andreas Magdanz, der das andere Intervall, jenes zwischen Preisgabe und Versiegelung, damit zubrachte, diesen apokalyptischen Grenzfall der Architektur zu dokumentieren.

Zweierlei prägt, das Bedrückenden und das Stocknaive. Vieles erinnert schlicht an Maschinenräume, doch die Gänge sind endlos lang, und die Wände krümmen sich unter dem Schieferberg. Dazwischen anrührendes Funktionsdesign der sechziger Jahre, original verpackte Telefone mit Wählscheibe und Präsidialamt wie ein Hipster-Club. Noch ein Drittes steckt diesem Bau in den Gliedern: die Abwesenheit des Historischen, des Zeitverlaufs, auch dies eine Verweigerung gegenüber dem Außen. Die Landkarten im Militärischen Lagezentrum leugneten schon damals die Bedingungen für diesen Ort. Stattdessen Aufschriften wie „Königsberg (Pr.)“ und „unter fremder Verwaltung“, in den Sechzigern.
Der Bau selbst hat Geschichte. Sein Rückgrat bilden zwei Tunnelabschnitte, drei Kilometer lang, die ab 1910 errichtet wurden, zum Truppentransport per Bahn Richtung „Erbfeind Frankreich“. Der jedoch zerstörte das Unvollendete nach dem Ersten Weltkrieg, und noch einmal nach dem Zweiten: In der Röhre hatten Zwangsarbeiter, Außenstelle Rebstock des Konzentrationslagers Buchenwald, V1- und V2-Raketen montieren müssen. Die Verschüttung schreibt die Leugnung der Geschichte fort, „keines Blickes mehr wert“.

Doch der Raum selbst besteht weiter; das größte nie gebrauchte Stück Architektur der Bundesrepublik verweist, auch dann noch, auf einen anderen Hohlraum, auf den Kalten Krieg und die Konstruktion seiner Bürokratie, auf die Angst der Macht. Die Entfernung des Mobiliars, der Schilder und Schriften versucht, sein politisches Wesen zu tilgen. Doch es (wieder-)errichtet nur den Umweg über den Mythos. Insofern bleibt das Zuschütten der konsequentere Schritt, einschließlich jener Vorstellung, die mancher in Marienthal vorher längst hatte: dass unter seinen Füßen im Weinberg ein Monstrum von einem Raum kauert.