Ärzte Zeitung
Kultur und Gesellschaft, 6./ 7. April 2001



Dienststelle Marienthal - Fotografien einer hermetisch abgeriegelten Welt
Bunkerbilder des Fotografen Andreas Magdanz sind derzeit in Bonn zu sehen

Von Roland Gross

Die Dienststelle Marienthal ist vermutlich die weltgrößte Atombunkeranlage in der Ahrtal-Region. 110 Meter tief in das Erdreich eingegraben und angelegt für 3000 Menschen, 20 Kilometer von Bonn entfernt. Ein Röhrensystem von 19 Kilometern Länge mit 897 Büros, 936 Schlafzimmern, Operationssälen und Zahnarztpraxen.

Der 1963 in Mönchengladbach geborene Fotograf Andreas Magdanz hat 1998 diese perfekt bis ins kleinste Detail eingefrorene Staatsgeheimnis-Welt fotografisch dokumentiert. Entstanden ist ein wuchtiger Foto-Foliant im Eigenverlag. Dieses Buch und die Idee einer kultur- und ideologiegeschichtlichen Konservierung einer hermetisch versiegelten Welt der sechziger und siebziger Jahre via Fotografie, dies sind die eigentlichen Stars einer Ausstellung in der Alten Rotation des General-Anzeigers in Bonn.

Acht kühle und distanzierte Großfotos hängen an den weiß gekalkten Ausstellungswänden des sich so harmonisch einfügenden Industriebaus des General-Anzeigers. Mit dem Ausbau des Bunkers wurde auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges 1958 begonnen, der Bunker diente unter dem NS-Regime als V2-Raketen-Depot, im Deutsch-Französischen Krieg war die Anlage eine Nachschub-Eisenbahnstrasse.
1972 war die heutige Form der mit über drei Milliarden Mark kostspieligen Wehrarchitektur vollendet und ernstfallbezugsfertig, betreut von 180 verschwiegenen Staatsdienern. 1997 beschloß die Bundesregierung den Bunker aufzugeben. Nun soll die Anlage auseinander genommen, entsorgt und versiegelt werden - Gesamtkosten: 60 Millionen Mark.

Magdanz bringt in seinen Bildern die vielen Funktionen des Bunkers zum Ausdruck: das Lebensrettende, die Geheimhaltungspolitik und auch den kafkaesken Mythos aus Unsichtbarkeit, Bedrohung und deutscher Perfektion, angesichts eines absolut autonomen Lebens für 30 Tage. Die Versorgung reichte von Luft, Strom, Wasser und Nahrung bis hin zum Frisiersalon und Fahrradabstellhalle.

Erstmals also sehen wir all dies allein durch die Fotografie, die wieder einmal die ungeheure fotoästhetische Dimension des „Zeigen-was-ist“ offenbart. Hinzu kommt, dass jedes Detail dieses drei Milliarden-Mark-Baus nie benutzt wurde: die Verdinglichung des Wartezustands auf die Apokalypse ist in jedem der überwiegend blaß-grauen Schwarzweiß-Fotos spürbar, in jedem Stahlrohrstuhl, stehen gebliebenen Besen, Wandtelefon oder auch in der Konservendose mit dem Aufdruck „Deutsche Bockwürstchen“.